The Economist 1988: „Weltwährung bis 2018“

Macht euch bereit für den Phönix

9. Jänner, 1988, Vol. 306, pp 9-10

In 30 Jahren in der Zukunft werden wahrscheinlich Amerikaner, Europäer und Menschen in vielen anderen reichen Ländern, sowie in einigen relativ armen Ländern, für ihre Einkäufe mit der gleichen Währung bezahlen. Die Preise werden nicht in Dollar, Yen oder D-Mark angegeben, sondern durch, sagen wir, den Phönix. Der Phönix wird von Firmen und Einkäufern bevorzugt, weil es bequemer ist als die heutigen nationalen Währungen, die bis dahin als eine kuriose Ursache für eine große Unterbrechung des Wirtschaftslebens im letzten 20. Jahrhundert erscheinen werden.

Anfang 1988 erscheint dies wie eine befremdende Vorhersage. Die Vorschläge für eine eventuelle Währungsunion entstanden vor 5 und 10 Jahren, doch sie konnten kaum die Rückschläge von 1987 vorraussehen. Die Regierungen der großen Volkswirtschaften versuchten, sich etwas an ein besser verwaltetes System von Wechselkursen — eine logische Vorbereitung, so könnte es scheinen, für eine radikale Währungsreform. Aus Mangel an Kooperationen in ihrer zugrunde liegenden Wirtschaftspolitik haben sie es schrecklich vermasselt und einen Anstieg der Zinssätze provoziert, was zum Börsencrash im Oktober führte. Diese Ereignisse haben Währungsreformer ernüchtert. Der Marktzusammenbruch lehrte ihnen, dass der Vorwand der politischen Zusammenarbeit schlimmer als gar nichts sein kann, und dass, bis eine wirkliche Kooperation möglich ist (d.h., bis die Regierungen etwas von ihrer wirtschaftlichen Souveränität aufgeben), weitere Versuche, Währungen festzuschreiben, scheitern werden.

Die Neue Weltwirtschaft
Die größte Veränderung in der Weltwirtschaft seit den frühen 1970er Jahren ist, dass Geldströme den Handel mit Waren als die Kraft ersetzt haben, die die Wechselkurse antreibt. Infolge der unablässigen Integration der weltweiten Finanzmärkte können die Unterschiede in den nationalen Wirtschaftspolitiken die Zinssätze (oder die Erwartungen an zukünftige Zinssätze) nur geringfügig stören und dennoch große Transfers von finanziellen Vermögenswerten von einem Land zum anderen herbeiführen. Diese Transfers überschwemmen den Handelsumsatz in ihrem Effekt auf Nachfrage und Angebot von verschiedenen Währungen und damit ihre Auswirkungen auf die Wechselkurse. Da die Telekommunikationstechnologie immer weiter voranschreitet, werden diese Transaktionen immer billiger und schneller. Mit unkoordinierten Wirtschaftspolitiken können die Währungen nur noch volatiler werden.

Auf all diese Arten lösen sich die nationalen Wirtschaftsgrenzen langsam auf. Je weiter der Trend anhält, desto unwiderstehlicher wird der Reiz einer Währungsunion zumindest der Industrieländer für alle erscheinen, außer für Devisenhändler und Regierungen. In der Phönix-Zone würde die wirtschaftliche Anpassung an die Verschiebungen der relativen Preise reibungslos und automatisch stattfinden, anstatt wie es heute zwischen verschiedenen großen Regionen in großen Volkswirtschaften geschieht (ein Brief auf den Seiten 74-75 erklärt, wie.) Die Abwesenheit aller Währungsrisiken würde den Handel, die Investitionen sowie die Beschäftigung fördern.

Die Phönix-Zone würde den nationalen Regierungen harte Einschränkungen auferlegen. Zum Beispiel würde es soetwas wie eine nationale Geldpolitik nicht geben. Die Versorgung der Welt mit dem Phönix würde von einer neuen Zentralbank durchgeführt werden, die vielleicht ein Nachfolger des IWF sein könnte. Die weltweite Inflationsrate — und damit, innerhalb enger Toleranzen, jede nationale Inflationsrate — läge in ihrer Verantwortung. Jedes Land könnte Steuern und öffentliche Ausgaben dazu verwenden, um vorübergehende Rückgänge der Nachfrage auszugleichen, doch es müsste sich das Geld leihen anstatt es zu drucken, um sein Budgetdefizit zu finanzieren. Ohne dem Rückhalt der Inflationssteuer wären die Regierungen und ihre Gläubiger dazu gezwungen, ihre Kredit- und Darlehenspläne sorgfältiger zu planen, als sie das heute tun. Das bedeutet einen großen Verlust der wirtschaftlichen Souveränität, doch die Trends, die den Phönix so attraktiv machen, nehmen diese Souveränität auf jeden Fall weg. Auch in einer Welt von mehr oder weniger schwankenden Wechselkursen haben einzelne Regierungen miterlebt, wie ihre politische Unabhängigkeit von einer unfreundlichen Außenwelt kontrolliert wird.

Mit der Annäherung des nächsten Jahrhunderts werden die natürlichen Kräfte, die die Welt in Richtung wirtschaftliche Integration treiben, den Regierungen eine breite Wahl anbieten. Sie können mit dem Strom schwimmen, oder sie können Barrikaden errichten. Die Vorbereitung des Wegs für den Phönix werden weniger vorgetäuschte politische Vereinbarungen und mehr reale zur Folge haben. Es wird bedeuten, die private Nutzung einer internationalen Währung neben den bestehenden nationalen Währungen zuerst zu ermöglichen und dann aktiv zu fördern. Das würde die Leute mit ihren Brieftaschen für den eventuellen Wechsel in die volle Währungsunion abstimmen lassen. Der Phönix wird wahrscheinlich als Cocktail der nationalen Währungen beginnen, so wie es das Special Drawing Right heute tut. Mit der Zeit würde allerdings sein Wert gegenüber nationalen Währungen aufhören, eine Rolle zu spielen, weil die Leute ihn aus Gründen der Bequemlichkeit und der Stabilität der Kaufkraft vorziehen würden.

Die Alternative — um die Autonomie der Politik zu bewahren — würde eine neue Vermehrung von wahrlich drakonischen Kontrollen der Handels- und Kapitalströme beinhalten. Dieser Kurs bietet den Regierungen eine herrliche Zeit. Sie könnten Wechselkursbewegungen durchführen, die Geld- und Fiskalpolitik ohne Hemmungen einsetzen sowie die daraus resultierenden Inflationsraten mit Preis- und Einkommenspolitik in Angriff nehmen. Es ist eine wachstumsverkrüppelnde Perspektive. Merkt euch den Phönix für 2018 vor, und heißt ihn willkommen, wenn er kommt.

+++ Nur um das klarzustellen: Das sind keine Fake-News. Es ist ein Artikel von The Economist, der auf den Tag genau vor 29 Jahren und 6 Monaten veröffentlicht wurde. Wir zählen bereits die Minuten.

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