UN-Ausblick für 2030 – Kein Eigentum, keine Privatsphäre

von Weltwirtschaftsforum, am 11. November 2016

„Heute kann ich kaum glauben, dass wir Staus und Verkehrsüberlastungen akzeptiert haben.“

Für weitere Informationen sieh dir die „Was wäre wenn: Datenschutz ein Luxusgut werden würde?„-Session der Jahrestagung 2017 des Weltwirtschaftsforums an.

Willkommen im Jahr 2030 – Ich besitze nichts, habe keine Privatsphäre und das Leben war noch nie so gut wie heute

Willkommen im Jahr 2030. Willkommen in meiner Stadt — oder besser gesagt, in „unserer Stadt“. Ich besitze überhaupt nichts. Ich besitze kein Auto. Ich besitze kein Haus. Ich besitze keine Haushaltsgeräte und keine Kleidung.

Es mag dir seltsam vorkommen, aber für uns in dieser Stadt ergibt es Sinn. Alles, was du als Produkt betrachtest, ist jetzt zu einer Dienstleistung geworden. Wir haben Zugang zu Verkehrsmitteln, Unterkunft, Verpflegung und allem, was wir im täglichen Leben brauchen. Nach und nach wurden all diese Dinge kostenlos, so dass es für uns keinen Sinn machen würde, viel zu besitzen.

Zuerst wurde die Kommunikation digitalisiert und für jedermann frei zugänglich. Dann, als die saubere Energie gratis war, begannen sich die Dinge schnell zu verändern. Die Transportkosten sind drastisch gesunken. Es machte für uns keinen Sinn mehr, Autos zu besitzen, denn wir konnten uns ein fahrerloses Fahrzeug oder ein fliegendes Auto für längere Strecken innerhalb von Minuten herbeirufen. Wir begannen, uns selbst viel organisierter und koordinierter fortzubewegen, als die öffentlichen Verkehrsmittel einfacher, schneller und bequemer wurden als das Auto. Jetzt kann ich kaum glauben, dass wir Staus und Verkehrsüberlastungen akzeptiert haben, ganz zu schweigen von der Luftverschmutzung durch Verbrennungsmotoren. Was haben wir uns dabei gedacht?

Manchmal benutze ich mein Fahrrad, wenn ich ein paar von meinen Freunden besuche. Ich genieße die Bewegung und die Fahrt. Irgendwie bringt es die Seele dazu, mit auf die Reise zu gehen. Witzig, dass manche Dinge niemals ihre Spannung zu verlieren scheinen: Wandern, Radfahren, Kochen, Zeichnen und Pflanzenzüchten. Es macht total Sinn und erinnert uns daran, wie unsere Kultur aus einer engen Beziehung zur Natur entstanden ist.

„Umweltprobleme scheinen weit weg zu sein“

In unserer Stadt zahlen wir keine Miete, weil jemand anderes den Platz nutzt, wann immer wir ihn nicht brauchen. Mein Wohnzimmer wird für geschäftliche Besprechungen genutzt, wenn ich nicht da bin.

Ab und zu werde ich mich entscheiden, für mich selbst zu kochen. Es ist einfach — die notwendige Küchenausstattung wird innerhalb weniger Minuten an meine Tür geliefert. Seit der Tranport kostenlos wurde, haben wir aufgehört, all diese Dinge in unser Haus zu stopfen. Warum sollten wir eine Nudel- oder Crepes-Maschine in unseren Schränken haben? Wir können sie einfach bestellen, wenn wir sie brauchen.

Dies erleichterte auch den Durchbruch der Kreislaufwirtschaft. Wenn Produkte in Dienstleistungen verwandelt werden, interessiert sich niemand für Dinge mit kurzer Lebensdauer. Alles ist auf Langlebigkeit, Reparaturfähigkeit und Recyclingfähigkeit ausgelegt. Die Materialen fließen in unserer Wirtschaft schneller und lassen sich leicht in neue Produkte umwandeln. Umweltprobleme scheinen weit entfernt zu sein, da wir nur saubere Energie und saubere Produktionsmethoden verwenden. Die Luft ist sauber, das Wasser ist sauber und niemand würde es wagen, die Naturschutzgebiete zu berühren, weil sie einen großen Wert für unser Wohlbefinden darstellen. In den Städten gibt es reichlich Grünflächen und überall Pflanzen und Bäume. Ich verstehe immer noch nicht, warum wir in der Vergangenheit alle freien Plätze in der Stadt mit Beton zugegossen haben.

Der Tod des Einkaufens

Einkaufen? Ich kann mich nicht wirklich erinnern, was das ist. Für die meisten von uns wurde es in die Auswahl der Dinge umgewandelt, die wir benutzen wollen. Manchmal finde ich Spaß daran, und manchmal will ich einfach nur, dass es der Algorithmus für mich macht. Er kennt meinen Geschmack mittlerweile besser als ich das selbst tue.

Als die K.I. und Roboter uns so viel von der Arbeit abgenommen haben, hatten wir plötzlich die Zeit, um gut zu essen, gut zu schlafen und Zeit mit anderen Leuten zu verbringen. Das Konzept der Rush Hour macht keinen Sinn mehr, da die Arbeit, die wir verrichten, jederzeit erledigt werden kann. Ich weiß nicht, ob ich das noch als Arbeit bezeichnen würde. Es ist eher eine Zeit des Denkens, des Erschaffens und des Entwickelns.

Eine Zeit lang wurde alles in Unterhaltung verwandelt und die Leute wollten sich nicht mit schwierigen Themen beschäftigen. Erst im letzten Moment haben wir herausgefunden, wie wir all diese neuen Technologien besser nutzen können, als nur die Zeit totzuschlagen.

„Außerhalb der Stadt leben sie eine andere Art von Leben“

Mein größtes Anliegen sind alle Menschen, die nicht in unserer Stadt leben. Die, die wir unterwegs verloren haben. Diejenigen, die entschieden haben, dass all diese Technologie zu viel wurde. Diejenigen, die sich obsolet und nutzlos fühlten, als Roboter und eine K.I. große Teile unserer Arbeit übernommen haben. Diejenigen, die sich über das politische System aufgeregt und sich dagegen aufgelehnt haben. Sie leben draußen, außerhalb der Stadt, eine andere Art von Leben. Einige haben sich in kleinen, selbstversorgenden Gemeinschaften zusammengeschlossen. Andere blieben einfach in den leeren und verlassenen Häusern in kleinen Dörfern aus dem 19. Jahrhundert.

Ab und zu ärgere ich mich über die Tatsache, dass ich keine wirkliche Privatsphäre habe. Ich kann nirgendwo hingehen ohne registriert zu werden. Ich weiß, dass irgendwo alles was ich tue, denke und träume aufgezeichnet wird. Ich hoffe nur, dass es niemand gegen mich verwenden wird.

Alles in allem ist es ein gutes Leben. Viel besser als der Weg, den wir eingeschlagen haben, wo es so deutlich wurde, dass wir nicht mit dem gleichen Wachstumsmodell weitermachen konnten. All diese schrecklichen Dinge haben sich ereignet: Zivilsationskrankheiten, Klimawandel, Migrationskrisen, Umweltzerstörung, völlig überlastete Städte, Wasserverschmutzung, Luftverschmutzung, soziale Unruhen und Arbeitslosigkeit. Wir haben viel zu viele Menschen verloren, bevor uns klar wurde, dass wir die Dinge anders machen können.

Anmerkung des WEF-Autors: Einige Leute haben diesen Artikel als meinen Traum oder meine Utopie der Zukunft gelesen. Das ist es nicht. Es ist ein Szenario, das zeigt, wohin wir gehen könnten — in guten wie in schlechten Zeiten. Ich habe diesen Artikel geschrieben, um über einige der Vor- und Nachteile der aktuellen technologischen Entwicklung zu beginnen. Wenn es um die Zukunft geht, reicht es nicht aus, mit Berichten zu arbeiten. Wir sollten die Diskussionen auf viele neue Arten beginnen. Das ist die Intention dieses Artikels.

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