von Jan Oberg, am 1. November 2016
Während unzählige humanitäre Organisationen auf der ganzen Welt heftig mit der abnehmenden Unterstützung durch Regierungen und die Öffentlichtkeit kämpfen, hat eine in überraschend kurzer Zeit eine bemerkenswerte Unterstützung durch westliche Regierungen erreicht und eine überraschende Aufmerksamkeit von Mainstream-Medien und politischen Eliten erzeugt: Die Syrian Civil Defense (SCD), auch bekannt als die „Weißhelme“.
Ihr Name lässt einen natürlich an die Blauhelme der UNO denken, und Weiß ist die Farbe derjenigen, die vor Gefahr geschützt werden sollten — und es ist auch die Farbe der Unschuld. Seit vielen Jahren jedoch existiert eine argentinische Hilfsorganisation mit dem gleichen Namen.
Die SCD oder Weißhelme zählen fast 3.000 Rettungskräfte, die in sehr gefährlichen Gebieten unter Rebellen in Syrien operieren und behaupten, dass sie in drei Jahren laut ihrem Twitter-Account etwa 70.000 Leben gerettet haben (oder 65 pro Tag).
Entgegen dem, was man vermuten würde, handelt es sich dabei nicht um eine syrische Organisation, denn Syrien hat ihre eigene Organisation, die übrigens ebenfalls „Syria Civil Defense“ genannt wird und die im Jahr 1953 gegründet wurde und bei der Internationalen Zivilschutzorganisation (ICDO) registriert ist.
Die Weißhelme scheinen über ein Jahresbudget von 30 Millionen US-Dollar zu verfügen und haben eine Gesamthilfe von weit über 100 Millionen US-Dollar erhalten. Und es scheint, dass sie ausschließlich in Kriegsgebieten operieren, in denen Kämpfe gegen die syrische Regierung und die syrische Armee stattfinden, d.h. in „befreiten“ Gebieten, in denen Hunderte von Gruppen aus etwa 80 Ländern, hauptsächlich NATO-Mitglieder, die Golfstaaten und Saudi-Arabien, operieren.
Auf der Einleitungsseite der Weißhelme heißt es, dass „die Mittel für ihre humanitäre Hilfsarbeit aus den Hilfsbudgets Japans, Dänemarks, der Niederlande, des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten erhalten werden“.
So erklärt das Außenministerium in Kopenhagen die rund 9 Millionen US-Dollar für die Weißhelme aus Dänemark, einem Land, das sowohl den Irak als auch Syrien bombardiert.
Andere zivilgesellschaftliche und humanitäre Organisationen in Syrien haben nicht so viel Glück. Ihr habt wahrscheinlich noch nicht so viel vom syrisch-arabischen Roten Halbmond und seiner Arbeit gehört. Wie viel oder wenig Unterstützung er von den westlichen humanitären Regierungen erhalten hat? Und im Allgemeinen hat keine zivilgesellschaftliche Organisation in Syrien — sei es für Frauen, Frieden, Menschenrechte, Kultur, etc. — in wenigen Jahren an die 100 Millionen US-Dollar erhalten und niemand hat so einen auffälligen Medienauftritt wie die Weißhelme.
Die Weißhelme wurden 2013 von James Le Mesurier gegründet, der anscheinend so gut wie alles überall ein wenig ausprobiert hat, einschließlich der Grauzonen von militärischen Spezialeinheiten und Geheimdiensten in praktisch allen NATO-Kriegen, insbesondere in Jugoslawien. Später gründete er eine Stiftung in Holland, um finanzielle Mittel zu lukrieren. Hier ist ein aktueller Bericht von Scott Ritter, ein ehemaliger Geheimdienstmitarbeiter des US Marine Corps und Waffeninspektor im Irak mit enormen Wissen über den Nahen Osten:
„Die organisatorischen Grundlagen der Weißhelme können auf ein Treffen im März 2013 in Istanbul zwischen einem pensionierten Militäroffizier, James Le Mesurier, der Erfahrungen in der düsteren Welt privater Sicherheitsfirmen und dem schattigen Zusammenfluss zwischen nationalen Sicherheits- und Geheimdienstoperationen und internationalen Organisationen hatte, und Vertretern des Syrischen Nationalrats (SNC) und der Quatari Red Crescent Society bezogen werden. Anfang des Monats erhielt der SNC auf einer Sitzung der Liga in Katar den Sitz Syriens in der Arabischen Liga.
Auf dieser Sitzung übernahm der SNC den Sitz Syriens, und die von der Arabischen Liga autorisierten Mitgliedsstaaten leisteten den syrischen Rebellen aktive Unterstützung, einschließlich Waffen und Munition. Die Katarer, die hinter dem SNC die Fäden ziehen, halfen dabei, für Le Mesurier 300.000 US-Dollar an Startkapital aus Japan, den Vereinigten Staaten und dem Vereinigten Königreich für einen 7-tägigen Kurs zusammenzutragen, der darauf abzielt, ein vom SNC rekrutiertes 25-köpfiges Rettungsteam für den Einsatz in so genannten „befreiten Gebieten“ Syriens auszubilden und auszurüsten. Der SNC stellte ein paar syrische Aktivisten — Raed Saleh und Farouq Habib — zur Verfügung, um Le Mesurier bei dieser Arbeit zu unterstützen.“
Die Gruppe wird — wie weiter unten zu sehen sein wird — in praktisch allen westlichen Mainstream-Medien als keinerlei Widersprüche hervorrufend betrachtet. Es existiert jedoch genug dokumentiertes Material, um Vorsicht walten zu lassen.
Wenn man Medienberichte über die Weißhelme liest und nicht sehen kann, wie der Autor erwähnt, dass die wahre Identität und Funktion dieser Gruppe umstritten ist, kann man sicher sein, dass man mit jemanden seine Zeit verschwendet, der politisch unglaublich naiv oder leichtgläubig ist; mit jemandem, der seine Hausaufgaben nicht gemacht hat oder wissentlich Teil einer irreführenden Anstrengung ist, die einer einseitigen politischen Agenda dient.
Die Weißhelme sind definitiv eine umstrittene NGO — und gleichzeitig wird es wirklich schwer gemacht, zu verstehen, was sie wirklich sind.
Und bis das Gesamtbild vor uns liegt, sollte jeder vorsichtig sein, wenn er Informationen über sie für bare Münze nimmt. Soviel muss angesichts der unten stehenden Links klar sein.
Eine Doppelfunktion?
Der Autor dieser Zeilen war nicht vor Ort, sondern hat die untenstehenden Pro- und Contra-Links studiert.
Einige Beobachter ziehen den Schluss, dass die Weißhelme (Syrian Civil Defense) hauptsächlich gute Menschen sind, die viele Menschen retten, besonders Kinder. Die entgegengesetzte Lobby behauptet, dass sie Teil der terroristischen Gruppen sind, westlichen Regierungen mit Informationen dienen, ihre Geldgeber in ihrem Namen politische Propaganda betreiben und dass sie einfach nur Scharfrichter sind — Mörder mit einem menschlichen Antlitz.
Aber muss es ein entweder/oder sein?
Eine alternative Hypothese könnte sein, dass die Weißhelme eine Organisation mit Doppelfunktion sind. Sie behaupten, gewöhnliche syrische Freiwillige zu sein, die sich zusammengefunden haben um Leben zu retten und wirklich „Bäcker, Schneider, Ingenieure, Apotheker, Maler, Zimmermänner, Studenten und vieles mehr, die Weißhelme Freiwillige aus allen Bereichen des Lebens“ sind. Es könnte durchaus sein, dass einige von ihnen das tätsächlich sind, sogar eine Mehrheit.
Das schließt aber nicht aus, dass andere Elemente — nicht zuletzt die außerhalb Syriens tätigen — wie Stiftungen, PR- und Marketingfirmen, Change-Organisationen, die NATO-Regierung und NGOs mit weniger noblen, kriegsfördernden Zielen dabei sind.
Linksammlung PRO und KONTRA
Unten findet sich eine Linksammlung — lang, aber faszinierend in ihrer Informationsfülle. Wir bringen sie als Hilfe für diejenigen, die sich ernsthaft für das Schicksal Syriens interessieren, und als Hilfsmittel für die Nachforschungen, wie Meinungen durch vernetzte Akteure in einer eher undurchsichtigen Netzwerkstruktur gebildet werden, wie NGOs zunehmend zu regierungsnahen Organisationen geworden sind und für diejenigen, die bei der Diskussion dieser Themen nicht dumm klingen wollen.
Zuerst einige Links darauf, wie sich die Weißhelme selbst präsentieren. Danach einige Mainstream-Medienartikel zu ihren Gunsten und die sie in den Himmel loben — darunter einige, die argumentieren, dass die Weißhelme den Friedensnobelpreis erhalten sollten (was natürlich Unsinn ist, da sie sich nicht einmal im Entferntesten nach den Kriterien des sehr klaren Willens von Alfred Nobel qualifizieren und der Nobelpreis kein allgemeiner Preis für gute Taten ist. Darüber hinaus ist zu bezweifeln, dass das Nobel-Komitee von der — recht unbescheidenen — Kampagne der Weißhelme für ihre eigenen Kandidatur überzeugt wird.)
Drittens einige Links zu dem umfassenden Netzwerk von Organisationen, einschließlich der Regierungen, von denen die Weißhelme ein Teil zu sein scheinen — und es ist ziemlich verwirrend und völlig ohne Transparenz — aber es wurden einige Untersuchungen durchgeführt.
Und viertens und letztens — die wichtigen Links zu investigativen Berichten und anderen Dingen, die in unterschiedlichem Maße skeptisch gegenüber den ersten drei sind.
1. Die Weißhelme präsentieren sich selbst
Der syrische Zivilschutz – Die Weißhelme
Die Homepage der Weißhelme
Auf der Titelseite wird man gebeten, einen Aufruf zur Einrichtung einer Flugverbotszone zu unterzeichnen (was eine Verletzung des Völkerrechts darstellen würde.)
Der Wikipedia-Eintrag zu den Weißhelmen
Syrian Civil Defense auf Facebook
Netflix
Offizieller Trailer über die Weißhelme
The Atlantic
Die Macher des Netflix-Films über ihre Vergangenheit
Mayday Rescue
Eine niederländische Stiftung zur Unterstützung der Weißhelme
Laut ihrer Webseite leiten sie staatliche Mittel an die Weißhelme weiter: „Die Syrian Civil Defense erhält Mittel (über Mayday Rescue und Chemonics) von den Regierungen Großbritanniens, der Niederlande, Dänemarks, Deutschlands, Japans und der USA.“
Chemonics
Ein US-Unternehmen für globale Entwicklung, über das staatliche Mittel an die Weißhelme geleitet werden (laut Mayday Rescue).
Die Weißhelme bei ihrer Kampagne für den Friedensnobelpreis 2016 oder 2017
2. Quellen, die die Weißhelme unterstützen, ohne Fragen zu stellen
Time
Wie die Weißhelme in einem verwüsteten Aleppo gejagt werden
The Economist
Der Aufstieg der Weißhelme Syriens
Die Weißhelme aus Syrien
Ein Film des dänischen Journalisten Nagieb Khaja, der auf Al-Jazeera gezeigt wird (30 Sekunden nach Filmbeginn erfährt man, dass die Weißhelme „seit Kriegsbeginn 2011“ mehr als 56.000 Leben gerettet haben, obwohl die Weißhelme 2013 gegründet wurden).
Der Friedensnobelpreis muss an die Weißhelme gehen
Die Sichtweise des Guardian auf den Friedensnobelpreis: Gebt ihn an Syrien’s Weißhelme – Leitartikel
Syrien’s Weißhelme für den Friedennobelpreis nominiert
Die Weißhelme erhalten den Right Livelihood Award
Die Right Livelihood Motiviation – fast eine Kopie der eigenen Geschichte der Weißhelme
3. Organisationen im Netzwerk rund um die Weißhelme
Purpose
Ein Unternehmen für die Erzeugung und PR sozialer Bewegungen, das angeblich die Welt verändern will, gegründet von Jeremy Heimans — dessen politisch-korrekten Mainstream-Hintergrund hier einsehen kann. Jeremy hat natürlich seine Karriere bei der Strategieberatung McKinsey & Company begonnen. Er ist auch Mitbegründer von
Avaaz
Avaaz bedeutet Stimme oder Lied in mehreren Sprachen und die Organisation ist Millionen bekannt als Petitionsplattform für viele gute/progressive Anliegen. Avaaz hat weltweit um die 43 Millionen Mitglieder und ist damit mit Abstand die größte NGO der Welt.
Avaaz hat auch purpose.com gegründet. Hier spricht Jeremy Heimans, ebenfalls ein Mitgründer von Avaaz, mit Forbes über seinen Hintergrund und die Arbeit der beiden Unternehmen.
Avaaz ist überaus aktiv bei der Forderung nach einer Flugverbotszone in Syrien, die das in einem Petitionstext mit folgenden Worten erläutern: „Lasst uns einen durchschlagenden globalen Appell an Obama und andere Führer richten, sich gegen Putins und Assads Terror zu wehren. Dies könnte unsere letzte, beste Chance sein, diesen Massenmord an wehrlosen Kindern zu beenden. Füge deinen Namen hinzu.“
Das Traurige ist, dass sie nichts aus ihrer eigenen Kampagne für eine Flugverbotszone in Libyen gelernt haben. John Hanrahan, ehemaliger Exekutivdirektor des Fonds für investigativen Journalismus und Reporter der Washington Post, des Washington Stars, UPI und anderer Nachrichtenorganisationen, hat diese äußerst interessante Analyse darüber gemacht, wie seltsam es ist, dass Avaaz trotz früherer Erfahrungen und Widerstand durch hochrangige Militärs eine interventionistische Kriegsagenda verfolgt.
Hanrahan zitiert den Kampagnenleiter von Avaaz, den ehemaligen Beamten des US-Außenministeriums John Tye, „dass Avaaz 54.000 Mitglieder in Syrien aufweist bei einer Gesamtbevölkerung von 23 Millionen — was bedeutet, dass selbst wenn jedes Avaaz-Mitglied eine Flugverbotszone unterstützen würde, dass nur einer von 426 Syrern dafür „gestimmt“ hätte.
Avaaz führt — zumindest in dieser Angelegenheit — eine extrem militaristische Politik an, während „Avaaz eine globale Internetbewegung ist, die menschengetriebene Politik überall zur Entscheidungsfindung bringt“. Welche Personen wollen eine Flugverbotszone in Syrien? Wissen sie, dass es sich um eine Verletzung des Luftraums eines souveränen Staates, um eine Verletzung des Völkerrechts handelt? Dass es jeden Terroristen auf syrischem Boden ermutigen würde, weil er die syrische Luftwaffe als Feind loswerden würde? Dass es den Regimewechsel im Irak und in Libyen fortsetzen würde?
Viele Fragen bleiben unbeantwortet von dieser eigentümlichen Organisation der „Volksmacht“, die militaristischer handelt als so manche Regierung!
Aber zurück zu purpose.com und einem seiner wichtigsten Kunden:
Die Syrien-Kampagne
Sie behaupten auf ihrer Webseite: „Die Syrien-Kampagne ist überaus unabhängig und akzeptiert kein Geld von Regierungen, Unternehmen oder Personen, die direkt in den syrischen Konflikt verwickelt sind. Das ermöglicht uns volle Autonomie, uns für das einzusetzen, was nötig ist, um Leben zu retten.“ Aber sie sagen auch, dass sie Gelder von der Asfari Foundation, der Rockefeller Brothers Foundation und anderen anonymen Spendern angenommen haben.
Die Syrien-Kampagne erklärt auch, dass sie sich für Menschenrechte und für die Freiheit einsetzt und keine Partei ergreift. Aber sie erklären den Konflikt mit folgenden Worten:
„Das Regime von Bashar al-Assad ist dafür verantwortlich, einen friedlichen Aufstand zu zerschlagen, was zum Tod von über 450.000 Menschen geführt hat, zur Vertreibung von über 12 Millionen Menschen — der Hälfte des Landes — und zum Entstehen von gewalttätigen, extremistischen Gruppen wie ISIS geführt hat.
Heute sind die Kämpfe in Syrien einem Weltkrieg gewichen, an dem mehr als 80 Länder auf allen Seiten beteiligt sind.
Die Mehrheit der Syrer will weder Assad noch ISIS. Sie wollen ein Ende der Gewalt und ein demokratisches Syrien.
Was in Syrien geschehen ist, könnte jedem von uns passieren. Niemand ist frei, bis wir alle frei sind.“
Ich würde eine solche Darstellung als ein Parteiergreifen bezeichnen, das in einem substanzlosen Marketingjargon gehüllt ist; eine sehr politisierte Aussage, die nur in schwarz-weiß erscheint.
Worauf die Syrien-Kampagne stolz ist
Die Syrien-Kampagne auf Facebook
Die Syrien-Kampagne auf Twitter
Analysis, Research and Knowledge (Ark)
Ein privates Unternehmen mit Sitz in Dubai, das sich selbst als eine „Beratungsfirma für Forschung, Konflikttransformation und Stabilisierung“ bezeichnet.
In Syrien „steht Ark seit fünf Jahren an der Spitze der Reaktion auf den Konflikt …“ Alistair Harris, eines der beiden Teammitglieder, wird hier beschrieben, wie er sich vor zwei Jahren dafür einsetzte, dass „Gemäßigte“ bewaffnet werden sollen, um ISIS zu bekämpfen, nicht nur im Irak, sondern auch in Syrien.
Die in Großbritannien ansässige Asfari Foundation für Veränderung
Die Weißhelme erhielten laut ihrer Webseite ihr Startkapital von der Asfari Foundation — Treuhänder, deren Mitglieder stark mit der Ölindustrie und der Unternehmensfinanzierung verbunden sind. Die Verbindungen der Asfari Foundation zur Syrien-Kampagne werden hier behandelt.
4. Quellen, die aufgrund ihres investigativen Journalismus Fragen die Weißhelme betreffend aufwerfen
Vanessa Beeley
Syriens Weißhelme: Krieg durch Täuschung – Teil 1
Scott Ritter von TruthDig
Die ‚Weißhelme‘ und der inhärente Widerspruch der amerikanischen Syrienpolitik
Hände weg von Syrien
Die Weißhelme — al-Qaeda in neuen Kleidern (Video)
Rick Sterling
Die Kontroverse um die „Weißhelme“
Vanessa Beeley
Wer sind Syriens Weißhelme?
Der Artikel enthält dieses Diagramm:
Vanessa Beeley
Der echte syrische Zivilschutz
Christina Lin, Asia Times
Weißhelme: Instrument des Regime-Change in Syrien?
Jonathan Gornell
Newsmaker: Die Weißhelme
Syria Solidarity Movement
Eine Liste von humanitären/menschenrechtsorganisationen, die sich für einen Krieg gegen Syrien und dessen Regierung einsetzen
Offener Brief der Hamilton Koalition zur Beendigung des Krieges
Die Weißhelme sollten NICHT für den Friedensnobelpreis nominiert werden
Max Blumenthal
Insider-Informationen über die dubiose PR-Firma, die für einen Regime-Change in Syrien lobbyiert
Rick Sterling
Sieben Schritte hochwirksamer Manipulatoren
Der Artikel enthält dieses Diagramm:
21st Century Wire
Cross-Talk: ‚Die Weißhelme, wirklich?‘ mit Vanessa Beeley, Eva Bartlett & Patrick Henningsen (Video)
Russia Today
Finanziert mit vielen Millionen — kann nicht unabhängig sein
Allgemeine Gründe für Skepsis über die wahre Identität der Weißhelme
Hier sind einige Gründe — die Zahl weist nicht auf die Priorität hin:
1. Riesige finanzielle Mittel von NATO/EU-Ländern, die militärisch beteiligt sind.
2. Ein gewisses Maß an politischem Lobbying — eine sehr konkrete Erklärung des Konflikts und seiner Entstehung, die Forderung nach einer Flugverbotszone, das Einsetzen von Menschenrechtsangelegenheiten als Waffe, eine starke Stimme gegen die syrische Regierung und Russland sowie sehr kritisch der UNO gegenüber — was für eine rein humanitäre Organisation äußert ungewöhnlich ist.
3. Unglaublich professionelle Öffentlichkeitsarbeit in Form von sehr professionellen Websites, Videos und eine PR-Strategie, die die richtigen Geschichten und Bilder zur richtigen Zeit aussendet — ziemlich einzigartig für eine Truppe aus „Bäckern, Schneidern und Studenten“ etc.
4. Zu professionelle Formulierungen und Bilder, zu viel Spiel mit (Ausnutzung von) Emotionen, zu einprägsame intelligente Formulierungen, wieder und wieder, kurz gesagt, ohne jeden Sinn für lokale Authentizität. Zu viele Kinder — und Katzen — auf den Bildern sprechen zu einem Publikum mit wenig politischem Bewusstsein, aber sicherlich einem guten Herzen. Kurz gesagt, populistisches Marketing auch im Sinne der Vermittlung der Botschaft: Schau, wie gut wir sind und wie böse die anderen sind.
5. Schuld durch Assoziation: Wenn die Weißhelme eine 100% echte humanitäre Ersthelferorganisation sind, dann wäre es extrem naiv zu ignorieren, dass ihre Integrität, Glaubwürdigkeit und edlen Ziele durch das spezifische Netzwerk von Organisationen und Regierungen gefährdet sehen, von denen sie sich entschieden hat, Unterstützung zu erhalten.
6. Substanz vs. Öffentlichkeitsarbeit: Wie rechtfertigt eine humanitäre Organisation, dass Millionen Dollar für selbstdarstellende Öffentlichkeitsarbeit ausgegeben werden, anstatt in einem so schrecklichen Krieg mehr Leben damit zu retten? Und inmitten von Massakern und Bombenangriffen so viele Fotos zu machen und eigene Arbeiten zu filmen?
7. Es ist sehr schwer zu erkennen, wer die Weißhelme im Allgemeinen und bei den täglichen Operationen leitet. Man sucht vergeblich nach so etwas wie einem Organigramm — Generalsekretär, Vorstand, Geschäftsführer (obwohl einer erwähnt wird, Raed Saleh, dem die USA einmal die Einreise nach Amerika verweigert hat.)
8. Wie kommt es, dass eine so innovative Organisation in Kreisen gegründet worden zu sein scheint, die mit Ölinteressen, dem britischen Geheimdienst, Söldner-/Militäroperationen und interventionistischen/bombenschmeißenden Ländern zu tun haben?
9. Wie kommt es, dass die Weißhelme nur in Rebellen-, Terroristen- und befreiten Gebieten operieren? Könnten sie das auch ohne Zusammenarbeit oder Koordination mit einigen dieser Gruppen tun? Die Right Livelihood Award Foundation hat — naiverweise — erklärt, dass ihre Vision darin besteht, auch auf staatlich kontrolliertem Gebiet zu operieren und später beim Wiederaufbau eines neuen demokratischen Nachkriegssyriens führend zu sein. Aber warum sollte der souveräne Staat der legitimen Regierung Syriens dort eine im Ausland ansässige und finanzierte Zivilschutzbehörde akzeptieren, wenn er seit 1953 sein eigenes hat?
Vielleicht sollten wir nicht gar so überrascht sein?
Sollten wir überrascht sein, dass die humanitären Helfer an „etwas anderem“ beteiligt sind und sich nicht ausschließlich darauf konzentrieren, keinen Schaden anzurichten und der Menschheit Gutes zu tun?
Nicht wirklich. Ich habe diese Art von Menschen und Organisationen während der Auflösung Jugoslawiens in den 90er Jahren getroffen, unter anderem in der US-Botschaft in Zagreb, wo besonders humanitäre Menschen, höchstwahrscheinlich CIA-Agenten, nach einigen Gesprächen mit mir darüber, wie man den Menschen helfen könne, plötzlich darüber sprachen, wie gut es wäre, wenn Präsident Milosevic umgebracht werden würde.
Sind humanitäre Organisationen — wie die meisten anderen NGOs heute — stark oder vollständig von Regierungen abhängig? Ja, die meisten sind es. Und deshalb sollten sie immer auf mögliche moralische Korruption und Vereinnahmung überprüft werden. Viele sind keine Nicht-, sonder Fast-Regierungs-Organisationen und verhalten sich zumindest politisch korrekt oder dienen und fördern die Interessen ihrer Regierungen auf die eine oder andere Weise.
Wurde Ärzte ohne Grenzen nicht von Bernard Kouchner ins Leben gerufen, der sich für die Idee der militärischen humanitären Intervention einsetzte, den schmutzigen Job für die NATO im Kosovo machte und sich moralisch für die Bombardierung Libyens als „Friedensgarantie“ einsetzte? Hier eine interessante Video-Debatte mit ihm in Oxford von Mehdi Hasan.
Sollte es uns überraschen, dass — selbst liberale, demokratische — Regierungen Propaganda betreiben, konkrete Geschichten konstruieren, um an das menschliche Herz in uns allen zu appellieren (für eine gute Sache) und dass sie regelmäßig lügen, Ängste schüren, Stereotype und Dämonisierung anwenden, Schwarz-Weiß-Narrative präsentieren — alles im Dienste der Interessen ihrer Eliten und in Wirklichkeit nicht immer so edel sein könnten?
Denkt an die Schattenwelt des globalen Waffenhandels, an der praktisch alle Regierungen beteiligt sind.
Natürlich nicht. Ohne diese Zutaten könnte es keine Kriege mehr geben.
Erinnert euch an die — erfundene — Geschichte über die irakischen Soldaten, die Babys aus ihren Brutkästen in Kuwait City geschmissen haben — alles erfunden als Teil der „Bürger für ein freies Kuwait“-PR-Kampagne, die von Hill & Knowlton aus Amerika für die kuwaitische Regierung durchgeführt wurde.
Oder denkt an James Harf von der amerikanischen PR-Agentur Ruder and Finn, der im Jahr 1991 von der kroatischen und bosnischen Regierung sowie von den Kosovo-Albanern beauftragt wurde, eine antiserbische Haltung in den westlichen Medien zu schaffen und zu fördern?
Harf sagt: „Wir konnten in der öffentlichen Meinung die Serben mit den Nazis gleichsetzen…“ Eine Art von Gleichgewicht oder die Wahrheit interessierte ihn nicht: „Wir sind Profis. Wir haben einen Job zu erledigen und dafür sind wir da.“
Wenn es um die Berichterstattung in den westlichen Medien über Syrien geht, hat der renommierte Wissenschaftler Stephen Kinzer völlig recht: „Die Berichterstattung über den Syrienkrieg wird als eine der schändlichsten Episoden in der Geschichte der amerikanischen Presse in Erinnerung bleiben. Die Berichterstattung über das Blutbad in der alten Stadt Aleppo ist der jüngste Grund dafür.“
Wenn es auf diesem Gebiet seit Anfang der 90er Jahre etwas Neues gibt, dann das Spektrum, die Tiefe, das Geld und die Intensität, mit der die öffentliche Meinung über Krieg und Frieden getäuscht wird — dass Krieg heute Frieden ist und Frieden durch Gewalt erhalten wird. Und die faktische Ersetzung von Wissen und Texten durch zweckgesteuerte, mediatisierte und emotionalisierte „Narrative“ sowie Bilder und Filme — direkt auf deinem Telefon und rein in deinen Kopf.
Zusammenfassend: Illusionen über unser Gutmenschentum, die den sozialen Narzissmus und die MIMAC nähren
Ich glaube nicht, dass ich genau weiß, was die ganze Geschichte und die Wahrheit über die Weißhelme ist. Aber ich weiß, dass sich so manches nicht richtig anfühlt.
Als Soziologe und Friedensforscher mit vier Jahrzehnten akademischer und praktischer Erfahrung in globalen Angelegenheiten und der Arbeit in Konfliktgebieten kommt mir die Worte des Wachmannes Marcellus in Shakespeares Hamlet auf Schloss Kronborg in meiner Heimat Dänemark in den Sinn: „Da ist etwas faul im Staate …“ nicht nur im bombardierenden Staat Dänemark (der die Weißhelme unterstützt), sondern auch am Zustand der — freien — Medienberichterstattung über Konflikte und Kriege.
Wenn man also generell skeptisch gegenüber der Berichterstattung der westlichen Medien über die vom Westen geführten Kriege und insbesondere über die Geschichte der Weißhelme als reine, mutige humanitäre Organisation ist — ist man dann automatisch pro-Assad, pro-Russland oder pro-Bombardierungen? Wenn man A kritisch gegenüber ist, muss man dann automatisch alles unterstützen, was B oder C tut?
Angesichts des „Zeitgeists“ dieser Zeit habe ich die Vermutung, dass die Antwort des Antiintellektuellen, des Propagandisten und jener Leute, für die immer die anderen schuldig sind, ein geschrieenes „JA!“ ist. Persönlich könnte es mir egal sein, doch es gibt Grund zur Sorge darüber, dass unsere Medien nicht frei sind, die hier behandelten Themen aufzugreifen.
Der Pulitzer-Preisträger Chris Hedges spricht über „die unaufhörliche Herstellung von Illusionen, die den sozialen Narzissmus nähren„. Die — nicht gewinnbaren — Kriege, die der Westen mit der illusorischen Ideologie der Verbreitung von Güte, Demokratie, Freiheit und Frieden führt, sowie die angeblich gute Rolle der Weißhelme darin ist nichts anderes als Ausdruck einer so unaufhörlichen Herstellung von Illusionen, die den sozialen Narzissmus der Masse nährt und gleichzeitig die Taschen der Wenigen im Militärisch-Industriellen-Medien-Akademischen Komplex [Military-Industrial-Media-Academic Complex (MIMAC)] füllt.
Es ist an der Zeit, mit der Reality-Show-Politik und den Medien einen Reality-Check zu machen. Doch wer kann und wer will das schon machen? Und wer wagt es jetzt, nachdem es nach dem 8. November noch schlimmer wird?
Nachtrag 23. November 2016
1. Das Mannequin-Challenge-Video der Weißhelme
Vor ein paar Tagen hat das Medienbüro der RFS — Revolutionary Forces of Syria — ein 54 Sekunden langes Video im Videostil der Mannequin-Challenge veröffentlicht. Es erweckt den Anschein, dass ein verwundeter Mann von zwei Weißhelmen nach einer Bombenexplosion aus einem Loch gerettet wird. Zuerst sieht man sie alle erstarrt, der einzige Lärm kommt von Kampfflugzeugen in der Luft.
Dann beginnt — plötzlich — der Verwundete wegen seiner vermeintlichen Schmerzen zu schreien und die beiden Weißhelme ziehen ihn aus dem Loch hoch und tragen ihn eine leere Straße ohne Krankenwagen oder Leute hinunter, die bereit sind, ihn zu behandeln. Trotzdem hört man Sirenen und viele Leute reden und schreien.
Schaut euch das Video auf Youtube an. Es wurde fast sofort auf dem RFS-Kanal gelöscht.
Erstens ist es moralisch empörend, Humanitarismus und die Rettung eines verwundeten Kriegsopfers mit einem trendigen Videostil zu verbinden. Es ist ein schmutziger Marketing-Trick, ohne humanitäre Absichten. Schlecht konzipiert und weit jenseits des guten Geschmacks.
Zweitens ist das Video schlecht gemacht und man fragt sich, ob es von den oben genannten NATO-Regierungen finanziert wurde und wer für dieses — widerliche — nicht-humanitäre PR-Video verantwortlich ist.
Hier ist ein neuer Bericht darüber mit der unabhängigen, investigativen Reporterin Vanessa Beeley, dank derer vieles davon im letzten Jahr an die Oberfläche gekommen ist.
2. Der Preis der Right Livelihood Foundation an die Weißhelme
Wie bereits erwähnt, hat das Preis-Komitee beschlossen, 2016 einen ihrer Preise an die Weißhelme zu vergeben. Mehr dazu hier. Es beginnt mit einer Veranstaltung am 24. November im Swedish Institute of International Affairs, UI, in Stockholm und der Preisverleihung am 25. November, gefolgt von einem öffentlichen und politischen Programm für die Preisträger in Berlin, Genf und Zürich.
Man muss aufrichtig hoffen, dass die Medien ein wenig darüber nachforschen, wie weise die Entscheidung des Preis-Komitees ist. Das Kommitee — oft auch als alternativer Nobelpreis bezeichnet — war an vorderster Front dabei, echte Entwicklungs- und Friedensaktivisten zu belohnen und dem globalen alternativen Denken Legitimität zu verleihen, indem sie berechtigten Anliegen auf den Grund gingen.
Hier hat sich das Preiskomitee deutlich ins eigene Knie geschossen und sich von zynischem Propagandabetrug (statt Forschung) hinter einer Organisation mit Doppelfunktion mit einer humanitären Front und einer trüben Rückseite de facto für die Flugverbotszone, den Regimewechsel und eine größere militärische Intervention, die von interventionistischen Ländern finanziert wird, mitreißen lassen.
Unsere Welt ist voll von Menschen und Organisationen, die sich zutiefst bewundernswert und ehrlich für eine bessere Zukunft einsetzen. Warum um alles in der Welt riskiert die Stiftung ihren Ruf, ihren guten Willen und ihre Integrität, indem sie eine so zweifelhaften Entscheidung trifft?
Es wurden mehrere Versuche unternommen, einen Dialog mit der Right Livelihood Foundation aufzunehmen und sie aufzufordern, die Entscheidung aufzuheben. Leider bleiben jedoch alle Briefe unbeantwortet.
Das einzig mögliche Gute, das aus dieser moralischen Katastrophe hervorgehen kann, ist, dass die Mainstream-Medien anfangen, Fragen zu stellen, jetzt, wo das Licht der Weltmedien auf der Preisverleihung scheint.
Da dies den westlichen Mainstream-Narrativ Syrien betreffend herausfordern würde, muss man sich fragen: Werden sie das tun?