Interview mit Pirat Gizmo: Peace Parade und Hanfwandertag

Exodus-Blog: Herr Gizmo, im Piraten- und Protestmilieu ist allgemein bekannt, dass Sie keine Freunde haben. Nun höre ich aber von einem Insider, dass ausgerechnet die Wiener Polizisten Ihre besten Freunde sind. Die Polizei hat Ihnen sogar die Prater Hauptallee für ihre Vienna Peace Parade am 16. Mai [2015] spendiert — einmalig in der Geschichte dieser Stadt. Wie kam das? Die Massen tanzten bis Mitternacht zum Psytrance-Krach. Stehen Sie seit Neuestem über dem Gesetz?

"Wir stehen nicht über dem Gesetz"

Pirat Gizmo: Für die Peace Parade haben wir in Absprache mit allen Behörden und Magistratsabteilung eine Genehmigung für die Prater Hauptalle bekommen — ebenso wie die (T)raumparade zwei Tage zuvor. Wir stehen nicht über dem Gesetz sondern kennen unsere Rechte und fordern diese auch ein. Diese Stadt gehört auch uns. Auch wir haben das Recht den öffentlichen Raum zu nutzen wie zahllose andere Feste beispielsweise vor dem Rathaus oder auf der Kaiserwiese.

Richtig ist, dass wir die Parade im guten Einvernehmen mit der Polizei und Behördenvertretern abschließen konnten, die Versammlung endete jedoch um 22 Uhr und nur für den Abbau war leise Musik zur Unterstützung der Mitarbeiter für den Abbau gestattet. Bis Mitternacht gab es dort sicher keinen Krach.

"Politik geht auch ohne eine korrupte Partei mehr"

Ich bin in der glücklichen Lage vielerlei Netzwerke zu kennen und mit immer mehr Gruppen zu kooperieren was in meinen Zeiten in der Piratenpartei nicht möglich war. So habe ich etwa auch die alevitische Glaubensgemeinschaft bei Ihrem Fest am Wallensteinplatz im Gespräch mit den Behörden unterstützt. Wir beteiligen uns am Hanfball und haben eine Menge Projekte in der Pipeline. Allgemein betrachtet ist überraschend wie viele Leute wieder gerne mit uns zusammenarbeiten seit wir nicht mehr mit der Piratenpartei verbandelt sind. Politik geht auch ohne eine korrupte Partei mehr.

"Mehr Ex-Piratenparteimitglieder in unserem Teams als bei der Piratenpartei"

Über die Anzahl meiner Freund- und Bekanntschaften kann ich mich nicht beklagen, und Sie auch nicht. Mein Effekt hat sich seit meinem Abgang von der Piratenpartei ausgesprochen positiv entwickelt. Sowohl am Hanfwandertag als auch bei der Peace Parade waren mehr (Ex-)Piratenparteimitglieder in unseren Teams als bei der Piratenpartei selbst. Und mehr als beim Wägelchen von "Wien andas" beim Hanfwandertag.

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Ich pflege ein professionelles Verhältnis mit den Vertretern aller Behörden und bin pragmatisch bei der Vermeidung von Problemen. Als Versammlungsleiter/Veranstalter ist es natürlich teilweise notwendig ungeliebte Entscheidungen zu treffen und sich gegen Meinungen Dritter durchzusetzen was mitunter zu Verunstimmungen führen kann.

Im Gegensatz zu anderen Veranstaltungen sind wir aber besonders bemüht gemäß unseren Grundsätzen "Respect the Location" – "Respect the Environment" etwa möglichst wenig Müll zu hinterlassen, wir haben auch am Hanfwandertag spontan Müllsäcke gekauft und an allen Fahrzeugen befestigt weil die Veranstalter des ÖHV dafür kein Problembewusstsein zu haben scheinen.

"Kooperieren, Probleme sofort kommunizieren und möglichst viele Beteiligte in Kontakt mit dem Einsatzleiter bringen"

Ich war immer mit der Polizei im guten Einvernehmen, weil ich seit Jahren Proteste und Straßenfeste organisiere und mich um reibungslosen Ablauf bemühe. Mich wundert selber, dass das anscheinend so eine Leistung ist, weil es sehr simpel ist: kooperieren, Probleme sofort kommunizieren und möglichst viele Beteiligte in Kontakt mit dem Einsatzleiter bringen. Kostet Zeit, kostet Geduld, lohnt sich aber und verhindert viele Probleme bevor sie überhaupt entstehen können.

Exodus-Blog: Wie schön. Zur Sache. Sie flogen vor drei Wochen wegen Gewalt aus dem Fernseh-Studio von Puls 4, steht im Online-Magazin http://unzensuriert.at zu lesen. Sie hätten den Pegida-Sprecher Georg Immanuel Nagel tätlich angegriffen. Warum kommen Sie in besagter Sendung gar nicht vor, wenn ich fragen darf? Wo ist mein Gewalt-Fix? Hat Georg Immanuel Nagel zurückgehauen?

Pirat Gizmo: Es gab keine Gewaltszene, wir wurden von Puls 4 eingeladen und haben Fragen an Fr. Winter vorbereitet, die eigentlich Studiogast sein sollte, diese dann auf Hr. Nagl umgeschrieben. Leider hat Hr. Nagl das Studio vorzeitig (vor der 2. Pause) verlassen weshalb unsere Fragen obsolet waren.

"Mit der Falschmeldung von unzensuriert.at habe ich meinen Rechtsanwalt bereits befasst"

Mit der Falschmeldung von unzensuriert.at habe ich meinen Rechtsanwalt bereits befasst. Meine tatsächliche Aussage war "Ich werde gleich verbal tätlich" nach dem Topfen den Herr Nagl von sich gab. Leider hat Herr Nagl das Studio vorzeitig verlassen. Unsere Anwesenheit war somit obsolet, daher habe ich auch das Studio bei der 2. Pause verlassen nachdem Herr Nagl längst weg war.

Szenen einer Peace Parade

Szenen einer Peace Parade

Exodus-Blog: Ich glaube, Herr Nagel gehört nicht zu Ihren Freunden. Wie war das mit der Versammlungsleitung am Hanfwandertag? Brauchte Mund-zu-Bong-Beatmung? Oder wie?

Pirat Gizmo: Der eigentliche Versammlungsleiter war ab 16h nicht mehr für die Polizei verfügbar, nicht einmal erreichbar. Daher hat sich die Exekutive ca um 1900 als die letzten Wagen noch am Ring waren an mich gewandt um einen geordneten Abschluss der Versammlung sicherzustellen und ein Einschreiten der Polizei zu verhindern.

Wir haben spontan einige Helfer zusammengetrommelt und etwa die Räumung des Ringes zwecks Freigabe für Verkehr und
Öffentliche Verkehrsmittels koordiniert. Und die Aufstellung der Fahrzeuge am Heldenplatz.

Der Hanfwandertag ist eine weitgehend stressfreie Versammlung aber mangels Koordination durch die Herren des ÖHV sehr chaotisch verlaufen. So gab es etwa 3 "Blöcke" wenn man das einsame Führungstöfftöff von Wien Andas [sic] als eigenen Block bezeichnen will. Zudem gab es in diesem Jahr einige Anzeigen wegen dem SMG was neu ist.

Da sind wir eingesprungen, da wir als Verein selbst vier Fahrzeugen die Teilnahme ermöglicht hatten und auch bei der Versammlungsbesprechung bei der BPDW anwesend waren. Die Verantwortung hatte allerdings Herr David Rosse, der verschwunden war.

Tatsächlich konnten durch unser Einschreiten am Heldenplatz Steuergelder gespart und Polizisten abgezogen werden. Vor
unserem Einschreiten waren schon mehrere Einsatzkräfte zusammengezogen worden — auch in Seitengassen, die dank unseres Einschreitens dann abgezogen werden konnten.

Exodus-Blog: A propos Einschreiten und Steuergelder. Heuer wurden am Hanfwandertag 43 Kiffer angezeigt, wegen… Kiffen. Das ist bei den vorigen paar Hanfwandertagen nicht geschehen.

Pirat Gizmo: Meines Wissens gab es auch früher Anzeigen – sehr wenige von Leuten die halt zu plakativ oder direkt vor den Augen der Polizei gebaut und geraucht haben.

Neu in diesem Jahr war aber, dass Gruppen von Einsatzkräften durch die Menge gezogen sind und ganz offensichtlich und gezielt die Rauchgeräte diverser Personen gesucht haben – die Blicke der Polizisten waren sehr häufig auf die Hände (und was die Halten) der Leute gerichtet … über die Anzahl erfolgter Anzeigen kann ich keine Auskunft geben, da ich nicht
Versammlungsleiter war. Daher habe ich keine Akteneinsicht bekommen.

Exodus-Blog: Kommen wir zur Peace-Parade. Mehrere tausend Menschen waren dort. Warum?

"Wir arbeiten mit vielen Künstlergruppen zusammen"

Pirat Gizmo: Wir arbeiten mit vielen Künstlergruppen zusammen die große Reichweite haben und regelmässig tausende Gäste bei Veranstaltungen begrüßen, exemplarisch sei hier etwa das Esprit-Soundsystem oder Basslineaccoustix zu nennen.

Exodus-Blog: Wie wurde die Veranstaltung promotet? Am Internet haben Sie kaum jemanden erreicht. Ihr Twitter zur Veranstaltung hat dreizehn Follower. Das Promo-Video gefällt mir persönlich gut, aber es hat nur 800 Views. Auf Facebook habt Ihr weniger "Likes" als Hintner, von der KPÖ gar nicht zur reden, und die "Likes" zu den einzelnen Beiträgen sind im unteren einstelligen Bereich. Hellboy, unser Social Media Manager, kann mehr. Der verschafft sogar dem Piraten-Shit im Blog über 100 Views am Tag. Zum Glück mag er Sie nicht.

Pirat Gizmo: Wir mobilisieren nicht nur auf "klassischen" Wegen wie Facebook oder andere Social Media, tatsächlich beruht unsere Reichweite auf Mundpropaganda, SMS-Ketten, Ankündigungen auf Festen usf. Daher spiegelt die Anzahl der Teilnehmer etwa auf Facebook nicht wider wie viele Personen wir tatsächlich erreichen. Desweiteren haben teilnehmende Künstlergruppen in ihren Kanälen, Medien und Fangruppen unabhängig von der Orga der PeaceParade mobilisiert und informiert.

Exodus-Blog: Wie funktioniert die SMS-Kette?

Pirat Gizmo: Eine SMS-Kette dient der Mobilisierung und Infos von Leuten … eine bewährte Taktik auch in Kreisen von "illegalen Raves" das SMS mit Infos verbreitet und dann viral geteilt werden.

Exodus-Blog: Sind das alles Freunde von Ihnen?

Pirat Gizmo: Wir danken für dieses Gespräch!

Pirat Gizmo ist das Mirkollektiv.

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