Katastrophe in Rot: Der 100. Jahrestag der sozialistischen Revolution in Russland

von Richard Ebeling (The Future of Freedom Foundation), am 7. November 2017

Der 7. November 2017 markierte den 100. Jahrestag der Russischen (oder bolschewistischen) Revolution, die an diesem Tag im November 1917 stattfand, die zur kommunistischen „Diktatur des Proletariats“ führte und eine Epoche der totalitären Tyrannei und des Massenmords einleitete, sowohl in Russland als auch in jedem anderen Land, in dem der Sozialismus praktiziert wurde.

Historiker schätzen, dass im Namen des Aufbaus der kollektivistischen Utopie bis zu 150 Millionen Menschen, wenn nicht mehr — unschuldige Männer, Frauen und Kinder — getötet wurden.

Sie wurden erschossen, gefoltert und man ließ sie in Gefängniszellen, Verhörzimmern, in Arbeitslagern oder einfach nur dort, wo sie lebten, zu Tode arbeiten oder verhungern.

Der „Sozialismus in der Praxis“ schuf eine Schreckenskammer, in der das Individuum auf ein bloßes entbehrliches „Zahnrad im Getriebe“ reduziert wurde, um dem Gemeinwohl zu dienen, oder zu „Feinden des Volkes“ gemacht wurde, um als Auftakt zum Aufbau einer „hellen, schönen kommunistischen Zukunft“ eliminiert zu werden.

Macht, Begünstigung und Terror als sozialistische Realität

Im Namen einer „klassenlosen Gesellschaft“ schuf der Kommunismus ein überaus genaues und granuliertes System aus Privilegien, Gunst und Macht, je nachdem, wo das Individuum in den Hierarchien der Kommunistischen Partei und der Verwaltung der riesigen zentralen Planungsbürokratie stand. „Spezielle“ Lebensmittel- und Bekleidungsgeschäfte, „spezielle“ Kliniken und Spitäler, „spezielle“ Wohnungen und Landhäuser, „spezielle“ Erholungseinrichtungen und Urlaubsorte, „spezielle“ Gelegenheiten (mit Erlaubnis der Partei) den verbotenen und dekadenten „Westen“ zu besuchen, um einige der „bürgerlichen“ Güter, die im „Arbeiterparadies“ nicht verfügbar sind, mitzubringen.

Die Kommunistische Partei tat alles in ihrer Macht stehende, um den Geist derjenigen, über die sie regierte, zu kontrollieren und in enge Korridore des Wissens und des Glaubens einzugrenzen, so dass kein oder kaum Zweifel entstehen konnte, dass sie die beste aller Welten und weitaus „sozial gerechter“ und materiell besser als alles Bestehende in den reaktionären und korrumpierten kapitalistischen Teilen der Welt war.

Wenn für eine jüngere Generation, die nach 1991 geboren wurde — dem Jahr, in dem die Sowjetunion vor der Weltkarte verschwunden ist — das alles wie eine uralte Geschichte aussieht, die keine Bedeutung für ihr Leben hat (und das umso mehr, da in den Schulbüchern für Geschichte oder den Mainstream-Magazinen sehr wenig über die sowjetische Kammer des Schreckens erzählt wird), ist ihre Bedeutung nicht weniger wichtig zu wissen und eine Lektion, die nicht vergessen werden darf.

Die Propheten der sozialistischen Zerstörung und die kommende Diktatur

Sechs Jahre, bevor Karl Marx und Friedrich Engels ihr berühmtes Kommunistisches Manifest im Jahr 1848 veröffentlichten, schrieb der berühmte deutsche Dichter Heinrich Heine (1797 – 1856) im Jahr 1842 die folgenden Texte:

Kommunismus ist der geheime Name des furchtbaren Antagonisten, der die Proletarierherrschaft in allen ihren Konsequenzen dem heutigen Bourgeoisieregiment entgegensetzt. Es wird ein furchtbarer Zweikampf sein. Wie möchte er enden? Das wissen die Götter und Göttinnen, denen die Zukunft bekannt ist. Nur soviel wissen wir: der Kommunismus, obgleich er jetzt wenig besprochen wird und in verborgenen Dachstuben auf seinem elenden Strohlager hinlungert, so ist er doch der düstre Held, dem eine große, wenn auch nur vorübergehende Rolle beschieden in der modernen Tragödie und der nur des Stichworts harrt, um auf die Bühne zu treten. Kommen die alten absolutistischen Traditionen wieder auf die Bühne, wenn auch in neuem Kostüm und mit neuen Stichworten und Slogans? Wie konnte das Drama enden?

Wilde düstere Zeiten brüllen uns zu, und ein Prophet, der eine neue Apokalypse schreiben will, müsste völlig neue Tiere erfinden … Die Zukunft riecht nach russischem Leder, Blut, Gottlosigkeit und vielen Peitschenhieben. Ich würde unseren Enkeln raten, mit einer sehr dicken Haut auf dem Rücken geboren zu werden.

Andere warnten davor, was geschehen würde, wenn die falschen Fantasien des Sozialismus befolgt und in eine Gesellschaft eingeführt würden. Der Ökonom Paul Leroy-Beauilieu (1843 – 1916), ein französischer Ökonom der klassischen liberalen Ökonomie des 19. Jahrhunderts, warnte in seinem wichtigen Werk „Kollektivismus“ (1885):

Wie kann Freiheit in einer Gesellschaft existieren, in der jeder ein Angestellter des Staats sein würde, vereinigt in Geschwadern, aus denen es kein Entkommen geben würde, abhängig von einem System der amtlichen Klassifizierung für Beförderung und für alle Annehmlichkeiten des Lebens! … Der Angestellte (und alle wären Angestellte) wäre der Sklave, nicht des Staates, der nur eine Abstraktion ist, sondern der Politiker, die sich selbst an der Macht halten.

Ein schweres Joch würde uns allen auferlegt, und da es keine freie Presse gäbe, wäre es ohne der Zustimmung der Regierung unmöglich, auf Kritik oder Missstände hinzuweisen. Die Zensur der Presse, die im kaiserlichen Russland ausgeübt wurde, wäre die Freiheit selbst im Vergleich zu dem, was die unvermeidliche Begleiterscheinung des Kollektivismus wäre … Eine Tyrannei, wie sie noch nie zuvor erlebt wurde, würde alle Münder schließen und alle Hälse beugen.

Nie waren Prophezeihungen vorausschauender, als es jene von Heine und Leroy-Beaulieu viele Jahrzehnte vor der bolschewistischen Revolution waren. Der Gestank der Unterdrückung und des Todes umgibt die Vorstellung, wie der Sozialismus den Menschen und die Menschheit betrachtet. Der bekannte russische Mathematiker, Igor Schafarowitsch (1923 – 2017), der Jahre in den Gulag-Arbeitslagern wegen seiner Opposition gegen das sowjetische Regime verbrachte, schloss seine Studie über Das Sozialistische Phänomen (1975) mit dieser bedeutsamen Interpretation der Natur des kommunistischen Systems ab:

Zunächst einmal sind die meisten sozialistischen Lehren und Bewegungen buchstäblich gesättigt mit der Stimmung von Tod, Katastrophe und Zerstörung … Der Tod der Menschheit ist nicht nur ein denkbares Ergebnis des Triumphes des Sozialismus — er ist das Ziel des Sozialismus …

Das Verstehen des Sozialismus als eine der Manifestationen der Verlockung des Todes erklärt seine Feindseligkeit gegenüber der Individualität, seinen Wunsch, jene Kräfte zu zerstören, die die menschliche Persönlichkeit unterstützen und stärken: Religion, Kultur, Familie, Privateigentum. Es ist im Einklang mit der Tendenz, den Menschen auf das Niveau eines Zahnrads im staatlichen Mechanismus der nicht-individuellen Merkmale, wie Produktion oder Klasseninteresse, zu reduzieren.

Es wird zu Recht „nie wieder“ gesagt, wenn man auf den Wahnsinn und die Massenmorde, vor allem begangen an den europäischen Juden, unter dem deutschen Nationalsozialismus (Nazismus) hinweist. Dies gilt auch für die Schrecken und Massenmorde des Marxschen Sozialismus und des Sowjetkommunismus.

Einer der Gründe, warum die Marx’schen Variationen des sozialistischen Leitmotivs so viele Menschen auf der ganzen Welt ansprachen, war in der Tat die universellere Anziehungskraft im Vergleich zum Nationalsozialismus. Das Nazi-Ideal war einem „rassisch reinen“ deutschen Volk vorbehalten, der Rest der Menschheit wurde als genetisch Untergebene angesehen, die zum Wohle einer „Herrenrasse“ abgeschlachtet oder verslavt werden sollten.

Der Marxsche Sozialismus hingegen behauptete, für die große Masse der Menschheit zu sprechen — gegen eine Handvoll profitorientierter Ausbeutungskapitalisten (das „eine“ Prozent). So rief er alle Menschen, überall, die unter der Minderheit der Besitzer von Eigentum (Kapitalisten) leiden, dazu auf, sich im Namen der „sozialen Gerechtigkeit“ und einer kollektivistischen Utopie, die eine „bessere Welt“ für die gesamte Menschheit versprach (mit Ausnahme der Minderheit der „Ausbeuter“, die überall enteignet und liquidiert werden sollten), zu erheben.

Der Nationalsozialismus sollte niemals Anhänger, Kämpfer und Fanatiker anziehen außer jenen, die aufgrund von „Genen“ und „Blut“, was sie zur deutschen Herrenrasse machte, zu den Auserwählten klassifiziert und identifiziert wurden. Aber der Marxsche Sozialismus rief alle Menschen, überall, die zu „den Arbeitern“ gehörten und die gezwungen wurden, „Lohnsklaven“ zu sein, auf Befehl der engen „sozialen Klasse“ der kapitalistischen Eigentümer der Produktionsmittel, aufsteigen und ihre „Ketten“ in einer Revolution für einen „Arbeiterstaat“ des kollektiven Eigentums und der zentralen Planung zum Nutzen der „Massen“ abwerfen.

Das ist es, was den Marxschen Sozialismus in seinen Manifestationen politischer Staaten wie der Sowjetunion zu einer universellen Bedrohung der individuellen Freiheit und der wirtschaftlichen Freiheit gemacht hat. Seine Anhänger konnten überall sein, und das waren sie auch. Ihr ideologischer Fanatismus im Namen des totalitären Kollektivismus ließ sie keinen Wert auf Wahrheit, Menschlichkeit oder individuelles Leben, auch nicht auf ihr eigenes, legen. Das Opfer für „das Kollektiv“ machte sie und alle anderen entbehrlich für die kommende Utopie. Dies führte zur Bereitschaft, zig Millionen Menschen zu töten. Wenn die Gruppe — die „soziale Klasse“ — das ist, was wirklich existiert und Bedeutung und Wert hat, dann ist das Individuum die Illusion und hat keinen Wert und keine Bedeutung. Auf den Aschehaufen der Geschichte gehen die, die geopfert werden müssen, damit die wunderbare Welt kommt.

Obwohl der Sowjetkommunismus vor etwas mehr als 25 Jahren zu Ende ging, lebt das Gespenst des Kommunismus auf der ganzen Welt weiter. Es ist nicht so sehr, dass viele Menschen absichtlich in einem totalitären Staat sowjetischer Prägung eine Zwangsjacke übergezogen bekommen wollen, oder dass sie in ermüdenden und unendlichen Schlangen vor den „Volks“-Geschäften auf magere Vorräte an alltäglichen Lebensnotwendigkeiten warten wollen, wie es hinter dem „Eisernen Vorhang“ der Fall war, oder dass sie Angst davor haben wollen, dass die Geheimpolizei heute Abend kommen könnte, um sie für ein unbekanntes, aber unvorstellbar fürchterliches Schicksal mitzunehmen.

Die meisten Menschen, insbesondere in den Vereinigten Staaten, sehen dies nicht als die unausweichliche Zukunft eines sozialistischen Systems an, das vollständig aufgezwungen und umgesetzt wird, weil so wenig Menschen überhaupt wissen oder sich dessen bewusst sind, dass dies die Art und Weise war, wie Abermillionen in sozialistischen Regimen lebten, als die genötigten und kontrollierten Arbeiterbienen im kollektivistischen Bienenstock, der von der herrschenden „Avantgarde der Revolution“ der Kommunistischen Partei kommandiert wurde.

Das „Gespenst“ des Kommunismus sucht die Welt jedoch weiterhin in Form der marxistischen Kritik an der kapitalistischen Gesellschaft heim: Arbeiter werden von den kapitalistischen Arbeitgebern ausgebeutet; Profit ist unrechtmäßig erworbener Gewinn auf Kosten der übrigen Gesellschaft; eine Handvoll Kapitalisten, die Eigentum besitzen, herrschen über die Masse der Gesellschaft, ohne dass das „Volk“ von ihren hergestellten und vermarkteten Gütern profitiert; die kapitalistischen Besitzer von Eigentum plündern die Erde und verschmutzen die Umwelt. Die Liste ist lang.

Der Kampf zwischen den Ideologien von Freiheit und Individualismus gegen politische Planung und Kollektivismus geht in leicht anderen Formen und Permutationen weiter als in den kommunistischen Slogans und der ideologischen Sprache von 1917 und danach. Doch der Kampf ist nicht minder real und nicht weniger gleich an seiner fundamentalen Basis.


Ich habe eine Reihe von Artikeln über die Unlogik und Gefahr des Marxismus und des Sozialismus als Ideen und als Realität des sowjetischen Sozialismus in der Praxis geschrieben. Ich möchte vorschlagen, dass sie nützlich als Leitfaden dienen könnten, um mit anderen geteilt zu werden, damit man die Natur des Sozialismus im 20. Jahrhundert verstehen kann, sowie die zugrundeliegenden Ideen und Konzepte hinter dem Kollektivismus verstehen, die in ihren neuen und verschiedenen Formen immer noch Freiheit und Wohlstand im 21. Jahrhundert bedrohen:

„Karl Marx, der Mann hinter der Kommunistischen Revolution“
„Karl Marx‘ Missverständnisse über Menschen und Märkte“
„Karl Marx und die Vermutung einer ‚richtigen Seite‘ der Geschichte, Teil I“
„Karl Marx und die Vermutung einer ‚richtigen Seite‘ der Geschichte, Teil II“
„Sozialismus: Ein Jahrhundert des Todes und der Zerstörung“
„Wie Litauen dabei geholfen hat, die Sowjetunion zu stürzen“
„Zeuge des Endes der Sowjetmacht vor 25 Jahren“
„Der 25. Jahrestag des Endes der Sowjetunion“
„Barack Obama und die Bedeutung des Sozialismus“
„Die österreichischen Ökonomen, die Marx (und Obama) widerlegt haben“
„Amerikanische Progressive und Bismarcks Enkelkinder“
„Demokratischer Sozialismus bedeutet den Verlust der Freiheit“

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